Madeira – Blumen und Mee(h)r
Spektakulär sei er, der Landeanflug auf Madeira, der Insel weit draussen im Atlantik, wo häufig der Wind weht, wurde mir erzählt – ich stellte mich daher auf ein kleines Abenteuer ein. Der Ausblick aus dem Flugzeugfenster war wahrhaftig eindrücklich: Ruhig glitten wir vorbei an der schroffen Steilküste des Ponta do São Lourenço, am Hafenstädtchen Machico mit den hohen, üppig bewachsenen Bergen im Hintergrund und schwupp, schon setzte der Flieger sanft auf der teilweise auf Säulen über dem Meer gebauten Landepiste auf. Abenteuerlich: Fehlanzeige. Spektakulär: 100%.
Auf der Fahrt zum Hotel, unser Zuhause für eine Woche, erhielten wir einen ersten Eindruck der Insel: mit Bananen bepflanzte Terrassenfelder soweit das Auge reicht, ins üppige Grün eingekerbte Täler, Dörfer mit hübschen, weissen Steildachhäusern und immer wieder ein herrlicher Ausblick aufs Meer.
Abends, unterwegs zu einem Landgasthof, weckte ein festlich geschmücktes Dorf meine Neugier. Es sei bereit für eines der unzähligen Feste, die auf Madeira gefeiert werden, wusste unsere Reiseleiterin. Und ich wusste darauf, was ich am freien Tag unternehmen werde.
Die farbenfrohen Feste, die spektakuläre Landschaft und die liebenswürdigen Bewohner tragen bestimmt dazu bei, dass Madeira 2022 im Rahmen der «World Travel Awards» bereits zum achten Mal in Folge als beste Inseldestination der Welt ausgezeichnet wurde.
Bereits Winston Churchill schätzte die Vorzüge des Eilandes im Atlantik und suchte auf Madeira Ruhe und Erholung. Ganz besonders das farbenfrohe Fischerdorf Câmara de Lobos hatte es ihm angetan und er hielt das idyllische Hafen-Panorama mit Pinsel und Farbe fest. Ein Replika seines Kunstwerks ziert heute die Zimmer eines nach ihm benannten Hotels und am Hafen steht eine Bronze-Statue des malenden Staatsmannes. Übernachtet hatte er allerdings in der nahe gelegenen Hauptstadt Funchal.
Funchal, die lebhafte Hauptstadt
Auch wir logierten während unserer Erlebnisreise in Funchal. Benannt nach dem wilden Fenchel (portugiesisch «funcho»), welchen die portugiesischen Siedler hier vorfanden, hat sich der Ort zu einem kosmopolitischen Zentrum entwickelt, wo mehr als 40% der Inselbevölkerung zu Hause ist.
Zu Fuss durchs Stadtzentrum zu schlendern lohnt sich bei Tag und Nacht. Während es am Vormittag in den Altstadt-Gassen noch ruhig ist, können die bunten Kunstwerke an Türen und Fassaden bewundert werden. Später werden die Türen geöffnet und die Gassen verwandeln sich in eine schier endlose und lebhafte Ansammlung von Bars und Restaurants, welche unter freiem Himmel zu Menus aus aller Welt ebenso wie zu lokalen Spezialitäten wie süssen «Poncha» (Cocktail) zum Apéro und leckeren «Espada» (schwarzer Degenfisch) oder «Espetada» (Fleischspiess) zur Hauptspeise einladen.
Wem nach weiteren kulinarischen Genüssen zumute ist, sei vormittags ein Besuch der Markthalle «Mercado dos Lavradores» empfohlen. Die kunstvoll präsentierten Früchte, Gemüse und Gewürze sind eine wahre Augenweide. Die Düfte im Fischmarkt waren zwar etwas streng, der Anblick des schwarzen Degenfisches mit seinen grossen Augen und scharfen Zähnen dafür umso eindrücklicher. Und auch Blumenliebhaber werden hier fündig: Blüten ebenso wie Blumensamen stehen im Angebot.
Überhaupt wird in der Stadt, selbst ausserhalb der Hauptblütezeit, schnell klar, woher Madeira seinen Spitznamen «Blumeninsel» erhalten hat: Es blüht immer etwas. Sei es an den zahlreichen Bäumen, welche die Strassen säumen, in den Blumentöpfen, die an den Kandelabern und an Hauswänden hängen oder in den zahlreichen Gärten der Stadt, welche zu jeder Jahreszeit einen Besuch wert sind.
Naturgegeben geht es auf Madeira fast überall bergauf oder bergab. So ist es nicht verwunderlich, dass der hoch über Funchal gelegene Vorort Monte ab dem Stadtzentrum mit einer modernen Seilbahn erschlossen wurde. Allein schon wegen der spektakulären Aussicht auf die Stadt und Bucht von Funchal lohnt sich die Fahrt. Oben angekommen wartet ein weiteres Highlight auf abenteuerlustige Besucher: eine rasante Fahrt mit einem traditionellen Korbschlitten.
Berge und Steilküsten mit spektakulären Ausblicken
Bis 1862 m ragen die höchsten Gipfel Madeiras in den Himmel. Der Pico do Arieiro, mit 1818 m dritthöchster Berg der Insel, lässt sich ganz bequem mit dem fahrbaren Untersatz erklimmen. Bei klarer Sicht eröffnet sich von dort oben eine spektakuläre Aussicht auf die umliegende Bergwelt und je nach Wetterlage aufs Nebelmeer oder den Atlantik. Diesen Ausblick konnten wir uns beim Besuch des Gipfels jedoch leider nur in Gedanken vorstellen, während wir uns durch Nebel, Wind und Nieselregen kämpften.
Baden im Lavapool und am Kiesstrand
Natürliche Sandstrände sind auf Madeira dünn gesät, Kiesstrände findet man hingegen zuhauf. Auf den ausgedehntesten davon, die rund 2 km langen Praia Formosa bei Funchal, blickte ich direkt von meinem Hotelzimmer aus und konnte dem entspannenden Geräusch der in der Brandung rollenden Kieselsteine lauschen.
Mancherorts bauten die Madeirer Schutzwälle zwischen die Felsen und liessen eine idyllische Badelandschaft mit Lavapools entstehen. Eine der grössten Anlagen befindet sich an der Nordküste in Porto Moniz, wo auch wir eine erfrischende Abkühlung im Meer genossen.
Levadas, Bewässerungskanäle mit Weitsicht
Wasser ist auf Madeira allgegenwärtig, aber sehr ungleich verteilt. Damit die Felder im fruchtbaren Süden der Insel jederzeit ausreichend bewässert werden können, bauten die Siedler ein ausgedehntes Netz von Bewässerungskanälen quer durch die Insel: die Levadas. Bis heute transportieren sie zuverlässig Wasser aus dem regenreichen Norden in den trockenen Süden der Insel. Um die Infrastruktur zu unterhalten, führen entlang der Levadas Pfade; manche sehr schmal, andere angenehm breit.
Heute existiert ein Levada-Wegnetz von mehreren Tausend Kilometern, welches nebst seinem ursprünglichen Zweck auch für Wanderungen genutzt wird. Dank dem geringen Gefälle der Levadas sind die Wege für Jung und Alt gleichermassen geeignet. So tauchten auch wir in die entschleunigende Waldlandschaft ein und entdeckten am Wegrand nebst viel heimischer Flora auch Überraschendes und genossen mancherorts herrliche Ausblicke.
Flora, UNESCO Welterbe und Souvenirs der Seefahrer
Für die farbenfrohe Blumenwelt ist Madeira weitum bekannt. Während wir Pflanzen wie zum Beispiel Fuchsia, Hortensien, Bougainvillea oder Oleander hegen und pflegen müssen damit sie gedeihen, wachsen sie auf der Blumeninsel wild und von allein, fast wie Unkraut.
Die ganze Blütenpracht wie die oben genannten ebenso wie Strelizien, Orchideen, Hibiskus, Jacaranda, Agaven, Weihnachtsstern und wie sie alle heissen, wurde einst von portugiesischen Seefahrern nach Madeira eingeführt. Durch die Lage der Insel inmitten des Golfstroms gedeihen allerdings all diese Mitbringsel hervorragend.
Vor dem Wandel zur Blumeninsel war Madeira vorwiegend von dichtem Lorbeerwald bedeckt, woher der Inselname Madeira rührt (portugiesisch «madeira» bedeutet Holz). Vor allem im Norden der Insel wächst nach wie vor dieser «Laurisilva», welcher heute als UNESCO Weltnaturerbe geschützt ist. Durch den häufigen Niederschlag ist es in diesem Urwald üppig grün und nebst Lorbeer, Farn und Moos gedeihen zahlreiche endemische Pflanzen.
Weinbau und Landwirtschaft
Die portugiesischen Siedler standen einst vor der Herausforderung, die dicht bewachsene und im Süden trockene Insel urbar zu machen. So entstanden in aufwändiger und gefährlicher Arbeit Terrassenfelder und Levadas. Zuckerrohr, Weinbau und Getreide sind bereits seit der Kolonialisierung bedeutend. Nebst europäischen Obstbäumen wie Äpfel, Kirschen und Pflaumen werden auch tropische Früchte wie zum Beispiel Mango, Papaya, Avocados, Passionsfrüchte und Bananen angebaut. Dank des subtropischen Klimas gedeiht eigentlich alles, was angepflanzt wird.
Heute ist insbesondere im Süden der Insel die Landschaft von Terrassenfeldern dominiert, allen voran mit Bananen oder Weinreben bepflanzt.
Folklore
Die Arbeit in den Terrassenfeldern ist sehr anstrengend und erfordert auch heute noch viel Handarbeit. Dies geht bestimmt leichter zur Hand, wenn man dazu singt. So ist es nicht verwunderlich, dass sich zahlreiche Arbeitsabläufe aus der Landwirtschaft in der traditionellen Folklore wiederfinden und dabei singend und tanzend ganze Geschichten darüber erzählt werden.
Feste feiern wie sie fallen
Besonders an Volksfesten hat die Folklore einen hohen Stellenwert. Und die Madeirer finden immer einen Grund zum Feiern. Im Frühling werden die farbenfrohen Blumen zelebriert, im Herbst rückt die Ernte in den Fokus: Trauben, Äpfel, Kastanien, Bananen, Zitronen, etc.. Und ansonsten wird dem Dorfpatron gehuldigt, die Muttergottes geehrt, werden Kirchenfeste begangen oder die Fischer gefeiert. Es gibt auf der Insel das ganze Jahr über so viele Feste, dass ich hier gar nicht alle aufzählen kann. Während meiner Reise war Weinlesezeit und ich nutzte die Gelegenheit, am freien Tag beim Weinlesefest in Estreito de Câmara de Lobos dabei zu sein.
Das Dorf wurde mit Blumen und teils einfachen Mitteln festlich geschmückt, alle Besucher konnten Hand anlegen bei der Traubenernte, und bei einem Umzug mit farbenfrohen Trachten und traditioneller Musik wurden die Trauben in unterschiedlichen Behältern zur riesigen Weinpresse getragen, wo sie bei Musik und Gesang zerstampft und zu Saft gepresst wurden.
Anschliessend trafen sich Gross und Klein von nah und fern bei traditionellen Speisen wie gegrilltem Poulet, Rindfleischspiess und dem Brot «Bolo do Caco» und tranken dazu eine «Poncha» oder eine «Brisa Maracujá». Ein unvergessliches Erlebnis!
Viel zu schnell war die Woche voller Höhepunkte vorbei und es hiess Abschied nehmen von dieser spektakulären Insel und deren freundlichen Bewohnern. Rechtzeitig hatten sich die stürmischen Winde gelegt; entspannt genoss ich beim Abflug einen letzten Blick zurück auf das Eiland, auf welches ich jederzeit zurückkehren würde, um noch tiefer in Natur und Kultur einzutauchen. Wann heben Sie ab in Richtung Madeira?
Doris Dossenbach, Kundendienst & Marketing Managerin bei Vögele Reisen, war im September 2022 auf Madeira unterwegs.